Palermo

Roman

Interview mit Uwe Eric Laufenberg

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Foto: © Jürgen Strauss

Herr Laufenberg, Sie sind unter die Romanautoren gegangen. Schlummert in jedem Regisseur ein Schriftsteller oder was hat Sie dazu bewogen?

Uwe Eric Laufenberg: In jedem mit darstellender Kunst beschäftigten Menschen schlummert der Wunsch, einmal den eigenen Text zu produzieren, das zusagen, was man wirklich sagen will. Man lebt ja ansonsten immer in, oft wunderbaren, Fremdtexten, die man sich aneignen muss. Wirklich zum Eigenen zu kommen, heißt schreiben.

Ihr Roman trägt den Titel „Palermo“ und handelt von einem Opern-Intendanten und seinen Erlebnissen mit der Kulturpolitik in einer italienischen Stadt. Sie schreiben in einem kurzen Prolog: „Die Kunst ist der Versuch, die Wahrheit hinter der Wirklichkeit aufzuspüren.“ Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Wahrheit?

U E L: Man erlebt in seinem Leben Situationen und Menschen, ist hineingeworfen in Konflikte, ohne diese wirklich verstehen zu können. Indem man Situationen, die man erlebt hat, literarisch nachstellt und neu beleuchtet, erfährt man Dinge, die zum Teil tief im Unbewussten schlummern und die man so hervorholen kann.

Sie haben die Handlung Ihres Romans an manchen Stellen unterbrochen und einen Exkurs über die Oper als solche eingestreut. Die Vermittlung dieser Kunstform scheint Ihnen hier besonders am Herzen gelegen zu haben. Sehen Sie die Romanhandlung als Parabel, die sich auf den Opernbetrieb grundsätzlich übertragen lässt?

U E L: Die Oper ist eine alte Tante, von der wir nicht genau wissen, ob sie nicht bald stirbt. Ich habe in Köln alle meine Energie und meine ganze Person für diese alte Tante ins Spiel gebracht. Der Roman stellt auch die Frage, ob diese Lebensleistung, erbracht für eine alte Tante, in unsere Gesellschaft noch irgendeinen Wert hat.

Würden Sie mit uns ein kleines Spiel spielen? Wir wollen Ihnen ein paar Zitate vorlesen und bitten Sie jeweils um einen Kommentar.

Marie von Ebner-Eschbach „Wer nichts weiß, muss alles glauben.“

U E L: Wer alles weiß, kann nichts mehr glauben. Aber zu wissen, ist besser, als glauben und getäuscht zu werden.

B. Brecht, Der gute Mensch von Sezuan:  „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

U E L: Wenn der Vorhang zu ist und endgültig zu bleibt, werden die offenen Fragen zu keinen Antworten mehr führen. Das Spiel muss immer wieder von vorne beginnen. Wir sollten daran arbeiten, den Vorhang immer wieder zu öffnen.

Mozart, Zauberflöte: „PAPAGENO:  Mein Kind, was werden wir nun sprechen? PAMINA: Die Wahrheit! sey sie auch Verbrechen. BEYDE: Die Wahrheit ist nicht immer gut, Weil sie den Grossen wehe thut.“

U E L: Gibt es einen gültigeren Spruch? Und das in der alten abgenudelten Operette von Schikaneder und Mozart, wo sie von den Fachleuten immer nur hören, schrecklich, geht gar nicht mehr, sollten wir nicht mehr spielen. Aber es ist mit Carmen die beliebteste Oper überhaupt beim Publikum. Warum wohl?

Herr Laufenberg, was sagen Sie denen, die akribisch versuchen werden, jede einzelne Ihrer Figuren mit realen Personen zu identifizieren?

U E L: Das bringt vielleicht kurzzeitig ein gewisses Vergnügen, aber verpufft nach kurzer Zeit total. Und dann bleibt der Text, entweder ist er gut, oder er ist nicht so gut. Und das wird seine Lebensdauer bestimmen.

Ihren Roman kann man als ein Sittengemälde verstehen, welches die Verflechtungen von Kultur und Politik nachvollziehbar macht, aber auch so manch menschliche Tragik in das Geschehen einflicht. In einem weiteren Abstecher gehen Sie an die Wurzeln der persönlichen Befindlichkeit der Hauptfigur. Sie legen diese quasi auf die Couch, indem Sie über das problematische Verhältnis zu dessen Vater schreiben. Wie kann man dieses Oszillieren zwischen psychologischer und gesellschaftlicher Komponente verstehen? Meinen Sie, dass letzten Endes alles einander bedingt?

U E L: Ja. Wir handeln als zeitbedingte, gesellschaftlich orientierte Wesen, denken, wir wären freie Individuen und arbeiten doch nur die Lebensmuster von Generationen ab, die wir so genau gar nicht mehr kennen. Uns diese Lebensmuster bewusst zu machen, ist die Aufgabe von Kunst. Im besten Fall folgt auf die Bewusstseinsmachung eine neue Form von Freiheit.

Der Roman wird zunächst als E-Book auf den Markt kommen und mit diesem Blog begleiten wir die Veröffentlichung. In den letzten Jahren hat sich auch und vor allem durch das Internet ein Bedürfnis nach mehr Transparenz durchgesetzt. „Heute will man nicht mehr nur wissen, dass etwas passiert, man will wissen, warum und wie es passiert. Geheimnisse sind nur in Ausnahmen erlaubt, (…) sagt der bekannte Blogger und Autor Sascha Lobo. Sind Sie auch für unbedingte Transparenz oder glauben Sie, dass diese auch Grenzen haben sollte?

U-E L: Ich glaube , dass wir nichts verstecken müssen. Unsere Hauptaufgabe, die uns das moderne Leben aufgibt, ist, das wir lernen müssen, uns so auszuhalten, wie wir sind. Die Lüge, das Vertuschen, das Wegducken wird uns nicht weiter helfen. Wenn wir uns zu dem bekennen können, was wir wirklich sind, wird eine neue Kommunikationsstruktur und eine neue Art von Freiheit einsetzen, die uns in eine bessere und aufrichtigere Zukunft bringt.

Sie hatten jetzt ein Jahr Zeit, als freier Regisseur zu arbeiten. Ab der kommenden Spielzeit sind Sie Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden. Werden wir noch vom Autor Laufenberg hören? Oder soll das ein einmaliger Ausflug in die schreibende Zunft bleiben?

U E L: Es gibt noch ein Drehbuch, das ich geschrieben habe und das ich gerne als Regisseur verwirklichen möchte. Das Glück und der Fluch, ein Sabbatical gehabt zu haben, hat viele Lebensenergien freigesetzt, die in der “ Theatermühle ” so nicht möglich wären. In Wiesbaden habe ich ein wunderbares Team und sehr gute Partner in der Verwaltung und der Politik, ich glaube, da ist sehr viel Kreatives möglich.  

Das Interview ist zum Abdruck freigegeben!